Vermehrungsprozess von Beet- und Balkonpflanzen und Zimmerpflanzen

Vegetative Vermehrung von Jungpflanzen

Hygiene (vor Anbau der Kultur)

Die Flächen, Gewächshauskonstruktionen, Töpfe oder Multiplatten/Trays sowie das Arbeitsmaterial, die Tische und Bändchengewebe der Standflächen werden vor dem Anbau der Kultur gründlich gereinigt und ggf. desinfiziert. Häufig findet gleichzeitig eine Belebung durch Mikroorganismen statt.

Beikrautregulierung

Eine großflächige Beikrautregulierung von Wegen sowie Flächen mit Bändchengewebe geschieht oftmals mittels eines Heißwassergerätes. Bei kleinräumigen Anwendungen wie unter Tischen oder auf Plattenwegen werden diese Flächen oftmals abgeflammt. Bei schwer zugänglichen Flächen geschieht die Beikrautregulierung mechanisch. Um Schadnager zu regulieren, werden Fallen aufgestellt.

Vermehrungsstufen

Produktion von Mutterpflanzen

Die Produktion der Mutterpflanzen im Vermehrungsbetrieb findet häufig in einer angegliederten Züchtung statt. Dabei wird der Vermehrungsbestand meistens durch In-Vitro-Kultur (Meristemvermehrung) aufgebaut. Diese Bestände müssen geprüft und bakterien-, virenfrei und sortenecht sein. Zudem dürfen die Mutterpflanzen aus phytosanitären Gründen nur für eine Vegetationsperiode genutzt werden.

Des Weiteren wird in insektendichten und desinfizierten Gewächshäusern angebaut. Der Vermehrungsbestand wird anschließend in getrennte Gewächshäuser überführt. Daraufhin erfolgt mit diesen Stecklingen die Massenvermehrung. Wichtig ist zu beachten, dass viele der Kulturen nur in Südländern produziert werden können, da ansonsten die Energiekosten für die notwendige Belichtung und das Heizen der wärmebedürftigen Pflanzen zu hoch wären. Allerdings sind diese Betriebe in der Regel noch nicht bio-zertifiziert.

Daher werden von den meisten Kulturen konventionelle Stecklinge und weitere vegetative Pflanzenteile zugekauft. Diese konventionellen Stecklinge können mit Ausnahmegenehmigung bei Nicht-Verfügbarkeit im Bio-Betrieb eingesetzt werden. Diese noch unbewurzelten Stecklinge werden meistens knapp über dem Gefrierpunkt gekühlt und in Kisten mit dem Flugzeug nach Mitteleuropa transportiert.

Verfügbarkeit von Stecklingen und anderem vegetativem Vermehrungsmaterial

Im Profi-Anbau gibt es für Beet- und Balkonpflanzen und Zimmerpflanzen derzeit fast keine bio-zertifizierten Stecklinge oder andere vegetative Pflanzenteile.

Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Abnahme der Stecklinge und weitere vegetative Pflanzenteile

Bei betriebseigenen Mutterpflanzen werden die Stecklinge von 4 bis 5 Monate alten Mutterpflanzen über dem Nodium mit einem Messer abgeschnitten oder in seltenen Fällen abgebrochen. Das Messer muss nach jeder Pflanze desinfiziert werden. Für verschiedene Beet- und Balkonpflanzen sowie Zimmerpflanzen gibt es unterschiedliche Stecklingsformen (wie z. B. Trieb-, Kopf-, Blatt- und Stammstecklinge).

Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung

Es gibt unterschiedliche Methoden, um Stecklinge für den Anbau vorzubereiten. Manchmal werden die unteren Blätter der Stecklinge entfernt oder die Blätter werden je nach Blattgröße eingekürzt. In der Regel jedoch schneidet man die Stecklinge auf die gleiche Größe und diese werden mit den Blättern gesteckt. Dabei bleiben mindestens 1 bis 2 voll ausgebildete Blätter bzw. alle Blätter am Steckling.

Die Stecklinge werden meist in Multitopfplatten mit geringem Erdanteil entweder in bio-konformes Substrat oder in substratgefüllte, abbaubare Vliestöpfe gesteckt. Alternativ kann man auch Erdpresstöpfe nutzen. Das Substrat besteht v. a. aus Torf und weiteren bio-konformen Bestandteilen wie Kompost, Sand, Vermiculit oder Perlite. Bei Erdpresstöpfen kommen auch bio-konforme Bindemittel/Klebstoffe zur Stabilisierung zum Einsatz. Falls nötig, werden die Substrate zur Vermeidung von Krankheiten und Schädlingen gedämpft. 

Anschließend werden die Jungpflanzen mit Trichoderma, Mykorrhiza oder Mikroorganismen und weiteren Pflanzenstärkungsmitteln angegossen.

Gießen

Die Kulturen werden regelmäßig mit Wasser gegossen (mit Stadtwasser und/oder Regenwasser, Brunnenwasser). Hier gibt es verschiedene Gießtechniken wie z. B. Ebbe-Flut, von oben mit Düsen, das Nutzen von Gießwägen oder händisches Gießen mit einer Brause. Das Wasser kann dazu aufbereitet werden. Hier sind verschiedene Methoden zur Wasserdesinfektion, Filterung und Wasservitalisierung möglich. Zudem bringen die meisten Betriebe regelmäßig ihre Pflanzenstärkungsmittel zusammen mit der Bewässerung aus.

Nachdüngung

Einerseits werden je nach Bedarf bio-konforme Flüssigdünger ausgebracht, z. B. mithilfe eines Dosierungsgerätes im Gießwasser. Außerdem kann man über die Bewässerung Brühen, Jauchen und Tees (z. B. Komposttee, Beinwelljauche, bio-dynamische Präparate) zuführen. Bio-konforme, feste Dünger zur Nachdüngung können mechanisch oder händisch ausgebracht werden. Zusätzlich kann es je nach Bedarf der Kultur notwendig sein, mit bio-konformen Spurenelementen zu düngen.

Belichtung/Schattierung

Ggf. wird in der dunklen Jahreszeit eine Belichtung und in den Sommermonaten eine Schattierung notwendig.

Pflanzenschutz, vorbeugend und direkt

Vorbeugender Pflanzenschutz: In der weiteren Kulturführung werden regelmäßig Nützlinge als Gegenspieler von Schädlingen eingesetzt sowie ein Schädlingsmonitoring, z. B. mithilfe von Leimfallen, durchgeführt. Dabei werden die Nützlinge mit unterschiedlichen Methoden ausgebracht. Während Nematoden gegossen werden, können parasitische Wespen und Ähnliches in einer offenen Zucht vermehrt werden. Weitere Nützlinge können beispielsweise in Streugranulat ausgebracht werden. Zudem können Nützlinge etwa mit Rohrkolbenpollen oder Blühstreifen an den und in den Treibhäusern gefüttert werden.

Außerdem werden Pflanzenstärkungsmittel, Bodenhilfsstoffe, Pflanzenhilfsmittel und Biostimulanzien zur Stärkung der Pflanzen eingesetzt. Diese Mittel werden gespritzt, vernebelt oder mit entsprechender Gießtechnik gegossen. Auch die Klimaführung ist ein wichtiger Faktor zur Gesunderhaltung der Pflanzen. 

Direkter Pflanzenschutz: Ein direkter Pflanzenschutz gegen Krankheiten (v. a. Pilzkrankheiten wie Falscher u. Echter Mehltau, Botrytis oder bodenbürtige Krankheiten wie Phytophthora, Phytium) und Schaderreger (v. a. Läuse, Thripse, Trauermücken) findet im Betrieb bei Befall entweder flächendeckend oder in einer Herdbehandlung mit bio-konformen Pflanzenschutzmitteln und entsprechend möglichen Zusatzstoffen statt. Oftmals sind nur Herdbehandlungen basierend auf einem regelmäßigen Schädlingsmonitoring im Bestand nötig. Des Weiteren können bio-konforme Grundstoffe zum direkten Pflanzenschutz eingesetzt werden. Gemäß Pflanzenschutzgesetz dürfen Pflanzenschutzmittel und Grundstoffe in der Regel nur gespritzt werden, wobei einige wenige auch gegossen werden dürfen. Außerdem ist es möglich, Schädlinge mit Leimfallen abzufangen.

Der Einsatz von chemisch-synthetischen Hemmstoffen zum Kompakthalten der Pflanzen ist im Bio-Anbau nicht möglich. Daher müssen andere Maßnahmen und Methoden angewandt werden, z. B. die folgenden:

  • Dichter Stand der Töpfe zu Beginn
  • Mehrmaliges Auseinanderrücken der Töpfe
  • Idealer Topftermin
  • Temperaturführung (Cool Morning und Temperatur-Differenz)
  • Stutzen der Pflanzen/Entblättern
  • Bio-konforme, organische und mineralische Düngung (u. a. silizium- und kaliumsulfathaltige Dünger)
  • Kompostanteil im Substrat erhöhen
  • Pflanzenstärkungsmaßnahmen
  • Trockenere Kulturführung
  • Erneutes Umtopfen
  • Mechanisches Kompakthalten mit Streichelwagen und Luftreiz
  • Anpassen der Belichtung

Eine Einschränkung in der Temperaturführung und der Energiequelle wird von der EU-Bio-Verordnung nicht vorgegeben.

Beet- und Balkonpflanzen Stecklingsvermehrung
Zimmerpflanzen Blattstecklinge und weitere vegetative Vermehrung