
Vermehrungsprozess von Gehölzen (Bäume und Sträucher)
Vegetative Vermehrung des Ausgangsmaterials
Video: Vegetative Produktion von Ausgangsmaterial von Gehölzen (Bäume und Sträucher)
Vermehrungsstufen
Mutterpflanzenbestände
Im Baumschulbereich wird das Ausgangsmaterial aus Mutterpflanzenbeständen oder von Pflanzen aus den Baumschulbeständen entnommen. Bei schwierig zu vermehrenden Arten muss das Material von jungen Teilen der Pflanzen stammen. Ältere Mutterpflanzen müssen daher regelmäßig stark zurückgeschnitten werden. Die Mutterpflanzenbestände werden je nach Bedarf mit organischen Stickstoffdüngern gedüngt und unkrautfrei gehalten.
Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Gewinnung des Ausgangsmaterials (je nach Vermehrungsform)
Bei der Vermehrung von Bäumen und Sträuchern kommen je nach Art verschiedene Vermehrungsformen zum Einsatz. Einige dieser Vermehrungsformen sind nicht mehr in der Praxis üblich und werden nur noch im Hobbybereich praktiziert.
Abrissvermehrung
Bei der Abrissvermehrung beginnt die Gewinnung der Abrisse im Jahr nach dem Aufpflanzen der Mutterpflanzen. Im Frühjahr beginnt der Rückschnitt bis zum Boden. Nach 20 cm Zuwachs der Neutriebe werden die Pflanzen bis Ende Juni regelmäßig angehäufelt und damit zur Bildung sprossbürtiger Wurzeln angeregt. Zudem werden bei den Schösslingen je nach gewünschter Qualität (unverzweigte Veredelungsunterlage) die Seitentriebe entfernt. Nach dem Abhäufeln im Herbst werden nach Laubfall die bewurzelten Triebe i. d. R. maschinell mit Spezialmaschinen geerntet/abgerissen. Dies ist eine Vermehrungsform v. a. für die Unterlagengewinnung. Nach der Ernte werden die Abrisse gebündelt und gelagert (in Erde eingeschlagen) oder direkt verkauft.
Wurzelschnittlinge
Bleistift- bis fingerdickgroße Wurzeln werden von den Mutterpflanzen abgenommen und zunächst feucht sowie frostfrei gelagert. Ab Dezember werden diese in fingerlange Stücke geschnitten und in Kisten gesteckt, die mit sandig-humosem Substrat gefüllt sind. Nach dem Stecken werden die Stücke mit einer 1 bis 2 cm hohen Deckschicht überdeckt und danach feucht und frostfrei gehalten. Hiervon gibt es Ausnahmen, denn manche Wurzelschnittlinge können auch direkt in Freilandbeete gesteckt werden.
Steckholzvermehrung
Das Steckholz ist ein Teilstück eines verholzten Sprosses ohne Blätter. Es wird aus der Mitte von kräftig gewachsenen Jahrestrieben in der Winterruhe entnommen (mit möglichst kurzen Internodien). Die gebündelten Jahrestriebe werden oftmals mit Bandsägen oder auch händisch auf eine Länge von 15 bis 30 cm zugeschnitten. Danach werden sie gebündelt an einem frostfreien Platz in feuchten Sand eingeschlagen oder frostfrei in Folienbeuteln bei 0 bis 1 °C im Kühlhaus gelagert. Üblicherweise werden die Steckhölzer dann im Frühjahr in Beete im Freiland oder Kurzsteckhölzer im geschützten Anbau gesteckt. Ein Kurzsteckholz kann auch einzeln in Töpfe gesteckt und entsprechend weiterkultiviert werden (siehe » Vermehrung Stauden (vegetativ)).
Stecklingsvermehrung
Hier werden beblätterte Teilstücke mit ein oder mehreren Nodien zur Vermehrung verwendet. Dabei variieren die Steckzeitpunkte je nach Pflanzenart. Die Stecklinge werden nicht in den gewachsenen Boden gesteckt, sondern in Multiplatten oder kleine Töpfe. Die Weiterkultur erfolgt wie im geschützten Anbau des Staudenbereichs (siehe » Vermehrung Stauden (vegetativ)).
Besonders ist, dass bei Bio-Baumschulen die Stecklinge und Steckhölzer vor dem Stecken zur besseren Bewurzelung nur in bio-konforme Wuchsstoffe getaucht werden dürfen, denn chemisch-synthetische Wuchsstoffe sind nicht erlaubt.
Vermehrung durch Veredelung
Die Vermehrung durch Veredelung ist im Gehölzbereich oftmals eine der wirtschaftlich rentabelsten Vermehrungsformen. Auch sind die Pflanzen oftmals wüchsiger und anpassungsfähiger. Bei der Veredelung (Okulation) wird ein vegetatives Teilstück der Pflanze, die sogenannte Knospe (Auge), auf ein geeignetes Unterlagengehölz übertragen. Im Gehölzbereich werden sowohl aus Samen gezogene Unterlagen als auch vegetativ vermehrte Pflanzen verwendet.
Hier sind verschiedene Veredelungsorte möglich:
Bei der Veredelung im Freiland (Frühjahr oder Sommer) findet die Veredelung auf einer fest eingewurzelten Unterlage mit einem mindestens 2-jährigen Sämling bzw. vegetativ vermehrter Unterlage statt.
Bei der Handveredelung wird die Unterlage beim Veredeln in die Hand genommen (sie befindet sich nicht im gewachsenen Boden). Im Gegensatz zur Freilandveredelung kann die Handveredelung im Innenraum stattfinden und bietet den Gärtner:innen insbesondere im Winter angenehmere Arbeitsverhältnisse. Die veredelte Pflanze wird erst später ins Freiland gesetzt.
Folgende Veredelungsformen sind hier möglich:
- Okulation (Sommer)
- Kopulation (Winter, bei Freilandveredelung im Frühjahr)
- Weitere Veredelungsformen (Pfropfen, Anschäften, Anplatten)
Der Prozess der Veredelung wird gesondert am Beispiel der Rose beschrieben (siehe » Vermehrung Rose).
Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Boden- und Pflanzbeetvorbereitung (vor der Weiterproduktion)
Bodenverbesserung
Zur Bodenverbesserung wird häufig Kompost eingearbeitet. Zusätzlich sollte die Bodengüte (d. h. die Struktur, Durchwurzelung und Belebung) durch eine Spatenprobe analysiert werden. Ziel der Bodenverbesserung ist eine lebendverbaute Krümelstruktur mit einem vielfältigen Bodenleben. Dies wird erreicht, erhalten oder gefördert durch eine durchgehende Begrünung und die aktive Durchwurzelung des Bodens in Interaktion mit einem diversen Bodenleben. Letzteres setzt sich aus Bakterien, Pilzen, Einzellern, Vielzellern, Arthropoden, Nematoden, Regenwürmern sowie hohen bodenwühlenden Tieren zusammen.
Grundbodenbearbeitung
Eine Grundbodenbearbeitung findet z. B. mit Feingrubber, Rüttel- und Kreiselegge, Bodenfräse, Handgrubber oder Spatenmaschine statt.
Gründüngung
Eine Gründüngung wird i. d. R. im Herbst, insbesondere zur Bodenpflege während der Winterbrache, ausgesät. Hierzu eignen sich Kleegras- oder andere Gründungungsmischungen, um Nährstoffe zu fixieren und Humus im Boden anzureichern.
Startdüngung im Frühjahr
Vor der Pflanzung können Mist (v. a. Pferde- und Rindermist) oder andere organische Düngemittel ausgebracht werden. Vorhandene Gründungungen werden in den Boden eingearbeitet. Vor dem Stecken oder Aufpflanzen im Frühjahr kann die Fläche nach Bedarf z. B. mit Hornspänen, Hornmehl oder Schafwolle organisch gedüngt werden.
Pflanzbeetvorbereitung
Beikraut lässt sich vorbeugend z. B. durch ein falsches Saatbeet regulieren. Damit kann der Samenvorrat 1-jähriger Samenbeikräuter schon vor der Aussaat im Oberboden erheblich reduziert werden. 2 bis 4 Wochen vor dem geplanten Saat- oder Pflanztermin sollte ein gleichmäßiges Saatbeet hergerichtet werden. Die Bodentemperatur sollte über 10 °C liegen und die Krume feucht und feinkrümelig sein, damit die Keimung angeregt wird. Nach ca. 8 bis 10 Tagen, wenn die Beikräuter sich im 2- bis 4-Blatt-Stadium befinden, sollten diese durch den Einsatz eines Striegels oder einer Egge in einer Tiefe von 3 bis 5 cm entwurzelt werden. Je nach Beikrautdruck lässt sich dieses Vorgehen auch wiederholen.
Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Aufpflanzung/Stecken des Ausgangsmaterials (Herbst/Frühjahr)
Pflanzung
Wurde das Ausgangsmaterial nicht direkt nach der Gewinnung im Herbst in Freilandbeete gesteckt/aufgeschult, wird das i. d. R. über den Winter gelagerte Ausgangsmaterial (z. B. Steckholz, bewurzelter Steckling im Tray/Topf, Wurzelschnittling, veredelte Pflanze) im Frühjahr in Reihen gesteckt (bei Steckhölzern: senkrecht so tief, dass nur die oberste Knospe aus dem Boden ragt, hier ist guter Bodenschluss wichtig) bzw. aufgepflanzt.
Weiterkultur des Ausgangsmaterials (kontinuierlich)
Weiterkultur
Düngen
Je nach Bedarf der Kultur wird im Frühsommer nachgedüngt, z. B. mit flüssigen organischen Düngern über die Bewässerung.
Gießen
Die Kulturen werden regelmäßig mit Wasser gegossen (mit Stadtwasser und/oder Regenwasser, Brunnenwasser). Hier gibt es verschiedene Gießtechniken wie z. B. den Gießwagen, das händische Gießen mit der Brause, die Nutzung von Tropfschläuchen u. a. Es sind verschiedene Methoden zur Wasserdesinfektion, Filterung und Wasservitalisierung möglich.
Vorbeugender Pflanzenschutz
Nützlinge können mithilfe von Blühstreifen und vor allem wildgehaltenen Bereichen (z. B. Hecken und Totholzhaufen) etabliert werden. Auch werden Pflanzenstärkungsmittel, Bodenhilfsstoffe und selbst hergestellte Jauchen und Tees zur Stärkung und Düngung der Pflanzen eingesetzt. Diese Mittel werden mit entsprechender Technik regelmäßig ausgebracht.
Pflanzenschutz direkt
Ein direkter Pflanzenschutz gegen Krankheiten und Schädlinge findet im Betrieb bei Befall entweder flächendeckend oder in einer Herdbehandlung mit bio-konformen Pflanzenschutzmitteln oder bio-konformen Grundstoffen statt.
Beikrautregulierung
Die Beikrautregulierung findet z. B. thermisch mit Abflammgeräten statt. Weitere Methoden sind das Mulchen (mit Mulchfolie, Bändchengewebe, Stroh und anderem Material) sowie das mechanische (Motor- oder Radhacken) und manuelle Jäten (Handjäter, Radhacken usw.).
Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Rodung, Verschulung, Topfen oder Unterschneiden (Spätsommer oder Herbst)
Rodung der Pflanzen und Verkauf an weitere Baumschulen
Die Pflanzen können nach dem 1. Kulturjahr gerodet und als 1-jährig bewurzelter Steckling (Abkürzung: 1-jb. St. 0/1), Steckholz (Abkürzung: 1-jb. Sth. 0/1), Veredelung (Abkürzung: 1-j. Vg. X/1/0), Abriss (Abkürzung: 1-j. Abr. 1/0) oder bewurzelter Wurzelschnittling (Abkürzung: bew. Ws. 1/0) weiterverkauft werden. Bei einem weiteren Standjahr auf der gleichen Fläche werden die Pflanzen als 2-jährig bewurzelter Steckling (Abkürzung: 2-jb. St. 0/2), bewurzeltes Steckholz (Abkürzung: 2-jb. Sth. 0/2) oder Veredelung (Abkürzung: 2-j. Vg. X/2/0) weiterverkauft.
Verschulung der Pflanzen im Spätsommer oder Herbst
Die 1- oder 2-jährigen Pflanzen können auch zur Weiterkultur auf anderen Fläche aufgeschult werden (siehe » Weiterkultur). Dann können die Pflanzen als 1-jährig verpflanzter Steckling (Abkürzung: 1 v. St. 0/0/1), Steckholz (Abkürzung: 1 v. Sth. 0/0/1) oder 2-jährig verpflanzter Steckling (Abkürzung: 2 v. St. 0/1/1), Steckholz (Abkürzung: 2 v. Sth. 0/1/1) vermarktet werden. Hier können die Pflanzen weitere 2 bis 3 Jahre weiterkultiviert werden.
Topfen in Töpfe oder Container
1-jährig bewurzelte Steckhölzer/Stecklinge werden in Töpfe oder direkt in Container getopft und weiterkultiviert (siehe » Containerkultur).