
Vermehrungsprozess von Stauden und Gräsern
Vegetative Produktion von Ausgangsmaterial und Jungpflanzen (Stecklinge)
Video: Vegetative Jungpflanzenproduktion von Stauden und Gräsern
Vorbereitungen (vor Anbau der Kultur)
Hygiene (vor Anbau der Kultur)
Die Flächen, Gewächshauskonstruktionen, Töpfe oder Multiplatten/Trays sowie das Arbeitsmaterial, die Tische und Bändchengewebe der Standflächen werden vor dem Anbau der Kultur gründlich gereinigt und ggf. desinfiziert. Häufig findet gleichzeitig eine Belebung durch Mikroorganismen statt.
Beikrautregulierung
Eine großflächige Beikrautregulierung von Wegen sowie Flächen mit Bändchengewebe geschieht oftmals mittels eines Heißwassergerätes. Bei kleinräumigen Anwendungen wie unter Tischen oder auf Plattenwegen werden diese Flächen oftmals abgeflammt. Bei schwer zugänglichen Flächen geschieht die Beikrautregulierung mechanisch. Um Schadnager zu regulieren, werden Fallen aufgestellt.
Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Vermehrungsstufen
Mutterpflanzen (Ort: Staudengärtnerei)
Mutterpflanzen im gewachsenen Boden
Im Staudenbetrieb stehen die Mutterpflanzen innerhalb sogenannter Mutterpflanzenquartiere im gewachsenen Boden und überwiegend im Freiland. Falls sie in Töpfe gepflanzt wurden, stehen diese meistens in Gewächshäusern aus Folien oder Glas. Dabei wird auf die jeweiligen Ansprüche der vielfältigen Kulturen, auf betriebliche Gegebenheiten und betriebswirtschaftliche Abwägungen geachtet.
So sind Mutterpflanzenquartiere je nach Ansprüchen schattierte oder sonnige Flächen. Hier wachsen Pflanzen zur Teilung (meist 2- bis 3-jähriger Umtrieb), zur Stecklingsernte (3- bis 5-jähriger Umtrieb) und/oder als Samenträger.
In der Bestandspflege werden die Mutterpflanzenquartiere v. a. mit Hacken unkrautfrei gehalten. Zudem können die Bestände mit Rindenhumus, Rasenschnitt, Kleegras, Sand oder anderen geeigneten Mulchmaterialien gemulcht werden.
Zur Effizienzsteigerung haben viele Betriebe die Vermehrung im eigenen Betrieb reduziert oder ganz ausgelagert und kaufen Jungpflanzen sowie Saatgut vom spezialisierten Kolleg:innenkreis zu.
Ernte und ggf. Lagerung des Vermehrungsmaterials (Ort: Jungpflanzenbetrieb oder Staudengärtnerei)
Die Entnahme des Vermehrungsmaterials im Mutterpflanzenbestand wird je nach Vermehrungsform der Sorte/Art unterschiedlich durchgeführt. Hier werden beispielsweise Stecklinge (Kopfstecklinge, Triebstecklinge, Blattstecklinge usw.) geschnitten oder Vermehrungsmaterial durch Teilung, Abreißen (Rißlinge) oder das Roden/Stechen von Dauerorganen entnommen (Wurzeln, Rhizome, Zwiebelschuppen, Bulben, Brutzwiebeln).
Schnitt der Stecklinge
Stecklinge werden von unterschiedlichen Teilen der Mutterpflanzen abgeschnitten. Hier wird in der Regel unterschieden in Blattstecklinge, Kopfstecklinge und Stengelstecklinge.
Abreißen bodennaher Triebe (Rißlinge)
Hier werden bodennahe Triebe, die schon Wurzeln besitzen und einen Wurzelansatz haben von der Pflanze abgerissen (sogenannte Rißlinge oder Abrißstecklinge).
Stecklinge durch In-vitro-Vermehrung
Manche Arten werden aus Gründen der Virus- und Nematodenfreiheit In-vitro vermehrt, wie beispielsweise Hosta (Viren) sowie Anemonen und Phlox (Nematoden). Einige Betriebe stellen zur In-vitro-Vermehrung die Mutterpflanzen zur Verfügung und bekommen dann fertige Stecklinge zurück.
Ausstechen oder Roden der Dauerorgane
Die Dauerorgane von Stauden wie Wurzeln, Rhizome, Knollen oder Zwiebeln werden im Herbst aus dem Boden ausgestochen oder gerodet. Bei einigen wenigen Arten wie Iris barbata kann dies auch sofort nach der Blüte im Frühsommer erfolgen. Diese Dauerorgane können problemlos in der kühlen Jahreszeit, in Kisten gefüllt mit Erde, zwischengelagert werden bis der Betrieb sie zum Topfen abruft. Bei der Vermehrung durch Wurzelschnittlinge und Rhizomschnittlinge werden die gerodeten Wuzeln und Rhizome ausgewaschen und anschließend in Stücke geschnitten (Wurzeln in der Regel in 2 bis 7 cm lange Stücke, Rhizome in 3 bis 4 cm lange Stücke).
Teilung der Stauden
Die Vermehrung durch Teilung findet bei den meisten Arten im Spätherbst und im zeitigen Frühjahr statt. Direkt nach der Teilung der Mutterpflanzen (i. d. R. werden diese mit einer Grabgabel oder einem Spaten ausgestochen) werden die Teilstücke nach Entfernen der Erde und Einkürzen der Wurzeln direkt getopft, damit sie nicht vertrocknen. Nur in Ausnahmen werden sie in Kühlräumen gelagert. Manche Kulturen werden auch im Herbst gerodet und im zeitigen Frühjahr mit längerem Tageslicht abgesteckt. Wenn die Pflanzen in den Kisten treiben, können auch hier mehrmals Stecklinge geschnitten (geerntet) werden.
Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Verfügbarkeit des Vermehrungsmaterials
Ein Teil des Pflanzenvermehrungsmaterials wird in deutschen Spezialbetrieben für Bio-Jungpflanzenstauden produziert. Die meisten Bio-Betriebe haben ein vielseitiges eigenes Mutterpflanzenquartier im Freiland, aus dem sie Stecklinge und weiteres Material für die Produktion entnehmen. Dennoch ist der Zukauf von konventionellen Stecklingen und weiteren Vermehrungsformen notwendig, um ein großes und aktuelles Sortiment anbieten zu können.
Vorbereiten der Stecklinge und weiteres Vermehrungsmaterial (für den Anbau der Kultur)
Stecklinge
Die unteren Blätter der Stecklinge werden entweder entfernt oder eingekürzt, was von der Blattgröße abhängt. Dabei werden sie i. d. R. lediglich auf die gleiche Größe zugeschnitten und mit den Blättern gesteckt, wobei 1 bis 2 Blätter/Blattpaare am Steckling bleiben.
Teilpflanzen
Die Erde der geteilten Pflanzen wird i. d. R. ausgeschüttelt, lange Wurzeln werden eingekürzt.
Stecken usw. des Vermehrungsmaterials in Substrat
Stecklinge in Substrat stecken
Stecklinge werden in bio-konformes Substrat oder in mit Substrat gefüllte abbaubare Vliestöpfe gesteckt. Dabei werden Multitopfplatten/Trays, Staudenkisten oder Schalen, seltener auch Erdpresstöpfe verwendet.
Oftmals werden die Stecklinge anschließend in den Platten mit Trichoderma, Mykorrhiza oder Mikroorganismen angegossen. Das verwendete Substrat mit bio-konformen Substratbestandteilen ist allenfalls leicht organisch aufgedüngt.
Bei schnellwachsenden Arten (z. B. Minzen) wird das Vermehrungsmaterial auch direkt in den Endverkaufstopf getopft.
Rißlinge
Risslinge werden i. d. R. wie Stecklinge in Multitopfplatten vorgezogen.
Wurzel- und Rhizomschnittlinge
Wurzelschnittlinge und Rhizomschnittlinge werden entweder senkrecht in Aussaatschalen oder Multitopfplatten gesteckt oder bei manchen Arten waagerecht in Aussaatschalen mit Substrat gelegt und mit Erde bedeckt. Nach Wurzel- und Triebbildung werden diese in den Endverkaufstopf umgetopft.
Brutzwiebeln und Bulben
Diese werden in der Regel direkt im Frühjahr in die Endverkaufstöpfe gepflanzt/gesteckt.
Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung
Weiterkultur der Jungpflanzen (kontinuierlich)
Die Weiterkultur der Jungpflanzen findet in Multitopfplatten/Trays, Staudenkisten und Schalen oder direkt im Endverkaufstopf statt.
Gießen
Die Jungpflanzen werden regelmäßig mit Wasser (Stadtwasser, Regenwasser und/oder Brunnenwasser) gegossen. Dabei können unterschiedliche Gießtechniken angewandt werden wie Ebbe-Flut, von oben mit Düsen, Gießwagen oder händisch mit dem Gießgerät („Brause“). Das Wasser kann dazu aufbereitet werden. Hier sind verschiedene Methoden zur Wasserdesinfektion, Filterung und Wasseraufbereitung möglich.
Düngen
Die Jungpflanzen werden bei Bedarf mit organischen Flüssigdüngern gedüngt. Dies findet oftmals mithilfe eines Dosierungsgerätes zusammen mit der Bewässerung statt. Zudem können die Pflanzen mit eigens hergestellten Brühen, Jauchen und Tees (z. B. Komposttee, Beinwelljauche, bio-dynamische Präparate) leicht gedüngt werden.
Pflanzenschutz
Vorbeugender Pflanzenschutz hat Priorität und geschieht durch den regelmäßigen Einsatz von Nützlingen, Pflanzenstärkungsmitteln und Bodenhilfsstoffen sowie angepasste Klimaführung und Schädlingsmonitoring.
Kurative Einsätze gegen pilzliche und bakterielle Krankheiten (v. a. Echter und Falscher Mehltau, Botrytis oder bodenbürtige Krankheiten wie Phytophtora oder Pythium) sowie Schädlinge (v. a. Läuse, Thripse und Trauermücken) finden mittels bio-konformer Pflanzenschutzmittel statt. Dabei sind häufig nur Herdbehandlungen durch regelmäßiges Schädlingsmonitoring nötig.
Neben angepasster Wasser- und Düngerversorgung sind Licht- und Temperatursteuerung entscheidend für die Pflanzengesundheit. So ist kulturgruppenspezifisch in der Weiterkultur Zusatzlicht oder Schattierung notwendig. Jungpflanzen profitieren zusätzlich davon unter freiem Himmel abgehärtet zu werden.