Bio-Anbau von Wildstauden
Produktion und Vermehrung
Bei der Vermehrung und dem Anbau von Wildstauden ähnelt vieles den Ausführungen zur generativen Vermehrung von Stauden und Gräsern und dem anschließend beschriebenen Kulturverfahren (siehe » Stauden und Gräser Vermehrung generativ sowie » Produktion).
Die Besonderheiten und “Eigenheiten” bei der Produktion von Wildstauden sind in den unteren Punkten auf dieser Seite beschrieben.
Was sind Wildstauden?
„Wildstaude“ ist ein nicht genau definierter Oberbegriff im Produktionsgartenbau. Er dient zur Abgrenzung nicht züchterisch bearbeiteter Sämlingspflanzen („Reine Arten“ oder „Wildarten“) von gärtnerischen Auslesen („Sämlings-Sorten“).
Stecklingsvermehrte oder aus Teilung hervorgegangene “Ableger“ fallen im Sprachgebrauch üblicherweise nicht unter Wildstauden, da sie Klone sind. Dies bedeutet, dass sie nicht durch natürliche, wilde genetische Rekombinationen im Befruchtungsprozess entstanden sind. Nichtsdestotrotz könnten diese Pflanzen auch vegetativ vermehrt werden.
Innerhalb der Wildstauden unterscheidet man zwischen Sämlingsarten aus der ganzen Welt und „Heimischen Wildstauden“ oder „Autochtonen“, d. h. gebietsheimischen Wildstauden.
Es gibt vielerlei nicht züchterisch bearbeitete Stauden aus Asien oder Nordamerika, die dort in ihren jeweiligen Verbreitungsgebieten heimisch sind und zugleich in verwandten Klimazonen auf anderen Kontinenten als Gartenpflanzen angeboten werden. Diese Floren stehen in ihrem Herkunftsgebiet jeweils in engem Lebenszusammenhang mit der dortigen Fauna, da sie ein über Jahrmillionen gewachsenes „Futter- und Bestäubungstauschgeschäft“ betreiben.
Autochtones Pflanzmaterial
Das Bundesnaturschutzgesetz unterscheidet Pflanzungen im Siedlungsbereich von Pflanzungen in „freier Natur“. Bei letzteren darf nur noch autochtones Pflanzmaterial eingesetzt werden. Das bedeutet, dass die Genetik des Saatguts, aus dem Stauden und Gehölze gezogen werden, aus dem jeweiligen Ursprungssgebiet stammen muss, in das sie eingebracht werden. Dazu wurde Deutschland nach geologisch-botanisch-klimatischen Kriterien für Saat- und Pflanzgut in bestimmte Ursprungs- bzw. Verwendungsgebiete (krautige Arten in 22 Gebiete, Gehölze in 6 Gebiete) eingeteilt. Diese strenge Einschränkung macht es Gärtnereien mitunter schwer, ausreichend zulässiges, zertifiziertes Pflanzgut termingerecht für beispielsweise größere Ausgleichspflanzungen im Außenbereich zu bekommen.
„Eigenheiten“ von Wildstauden bei Produktion und im Garten
Wildstauden erleben als Insektennährpflanzen und im wachsenden Bewußtsein des weltweiten Artenrückgangs eine stärkere Nachfrage - sowohl von Privatkund:innen als auch von Planer:innen und der öffentlichen Hand. In Staudensortimenten haben sie jahrzehntelang meist nur eine kleine Nebenrolle gespielt, da sie zunächst in ihrer Anzucht und später dann in der Gartenverwendung „eigensinnig“ auftreten.
Dies erschwert die Kulturplanung, da sie sich häufig durch ungleichmäßige Keimung und mitunter rasantes Wachstum „aus den Töpfen heraus“ aufgrund von (zu) nährstoffreichen Substraten kennzeichnen lassen. Zudem sind sie bodensensibel und daher „wählerisch“ im weiteren Gedeihen im Garten. Zusätzlich kann es mitunter zu einem sehr starken Versamen an zusagenden Orten kommen. All das sind Eigenschaften, die ihre jeweilige Evolution hervorgebracht hat, um ihr Überleben „in der Natur“ zu sichern - zugleich aber unwägbare Stressfaktoren im getakteten Ablauf einer Produktionsgärtnerei verursachen.
Ihr Nischendasein wurde und wird auch gefestigt durch gänzlich andere Züchtungsziele im gesamten Gartenbau: Auffällige, meist große, je nach Mode auch gefüllte Blüten mit langer Blütezeit, immer wieder neue Farben und Formen bewährter Arten-Standfestigkeit. Weitere für Anbaubetriebe wichtige Anbaukriterien und Ziele sind: die Planbarkeit von Mengen und Terminen, dazu eine gute Pflanzengesundheit unter gärtnerisch optimierten Bedingungen, die mit Düngung, Bewässerung und Anbau im Gewächshaus die „Natur“ weitestgehend außen vor lassen.
Besonderheiten bei der Produktion von Wildstauden
Substratmischung
Viele heimische Wildstauden bevorzugen konkurrenzarme, magere Standorte. Bei ihrer Kultur bewährt es sich, Standard-Topfsubstrate mit mindestens 20 % Mineralanteil abzumagern, wodurch sie artgerechter wachsen. Zudem wachsen sie in Gärten bei entsprechender Standortwahl und Bodenvorbereitung besser an und etablieren sich dauerhaft. Die große Herausforderung ist, dass dies nicht für alle Arten gleich gilt. Ein Beispiel für Wildstauden, die in nährstoffarmen Substraten besser wachsen, ist die Goldhaaraster (A. linosyris). Weitere Pflanzen, die nährstoffreichere und weniger abgemagerte Substrate bevorzugen, sind z. B. Blutweideriche (Lythrum-Arten).
Einige Pflanzen, wie z. B. Caluna und Preiselbeeren, benötigen einen niedrigeren pH-Wert. Das Substrat kann mit Schwefel abgepuffert werden.
Saatgutverfügbarkeit
Autochthones Wildstaudensaatgut gibt es derzeit nicht in Bio-Qualität (weitere Infos siehe » Saatgut). Als Grund nennen die Saatgutanbieter, dass das Saatgut zwar aus Wildsammlung stammt, der Feldanbau des Vermehrungssaatguts aber meist nicht ohne Herbizide auskommt - unter anderem deswegen, weil die Kulturen oft ungleichmäßig keimen und wachsen.
Aussaat und Anzucht
Das Anzuchtsubstrat wird oft mit einem Drittel Sand abgemagert. Je nach Kultur wird die Saat mit Anzuchtsubstrat oder reinem Quarzsand abgedeckt und entsprechend angedrückt. Der hohe Anteil an Sand lässt die Pflanzen langsamer wachsen und fördert so den Anteil an Feinwurzeln.
Bei manchen Arten von Wildstauden keimt nur eine geringe Anzahl der Samen, was als Ausfall bei der Produktion berücksichtigt werden muss. Viele Samen keimen auch erst im 2. Jahr nach der Aussaat.
Düngung
Ähnlich wie für Kräuter gilt auch für Wildpflanzen: Je nach Naturstandort unterscheiden sich die Nährstoffansprüche wie der Licht- und Wasserbedarf. Oft kann beobachtet werden, dass Wildpflanzen toleranter gegen Schwankungen in der Versorgung sind als Zucht-/Auslese-Stauden - vermutlich weil sie genetisch breiter aufgestellt sind und sich auch „an überlebte Entbehrungen erinnern“.