Saatgut

Allgemeine Bestimmungen

Saatgut zur Bio-Produktion muss grundsätzlich aus biologischer Erzeugung stammen. Da im Zierpflanzensektor biologisches Saatgut jedoch nicht für das gesamte Sorten- und Artenspektrum und teilweise auch nicht in den benötigten Mengen verfügbar ist, darf konventionelles, nicht mit konventionellen Mitteln behandeltes („ungebeiztes“) Saatgut unter bestimmten Bedingungen eingesetzt werden.

Voraussetzungen für den Einsatz von konventionellem Saatgut

Prüfung Verfügbarkeit

Die Verfügbarkeit von Saatgut aus biologischer Produktion muss in der OXS-Datenbank www.organicXseeds.de (OXS) vor der Verwendung (Aussaat) konventionellen Saatgutes überprüft werden. Wenn das gewünschte Saatgut in Bio-Qualität verfügbar ist, muss Bio-Saatgut eingesetzt werden. 
Falls jedoch kein Bio-Saatgut der Sorte/Art verfügbar ist, kann Saatgut aus der Umstellung eingesetzt werden. 
Nur wenn weder Bio-Saatgut noch Saatgut aus der Umstellung verfügbar ist, kann konventionelles, unbehandeltes Saatgut eingesetzt werden. 

Verwendung von konventionellem Saatgut nur mit Genehmigung

Die Genehmigung zur Verwendung konventionellen Saatgutes kann unmittelbar in der Datenbank beantragt werden. Dazu ist eine Registrierung in der Datenbank notwendig.

Anträge auf Ausnahmegenehmigung (ANG) für den Einsatz von konventionellem Saatgut werden genehmigt, wenn:

  • keine geeignete Sorte einer Art in Bio-Qualität in der Datenbank aufgeführt ist,
  • die gewünschte Sorte nachweislich nicht in Bio-Qualität oder ausreichender Menge geliefert werden kann.

Eine wichtige Voraussetzung für den Einsatz von konventionellem Saatgut ist, dass dieses nachweislich „unbehandelt“ ist. D. h. das Saatgut wurde nach der Ernte nicht mit Pflanzenschutzmitteln behandelt, die nicht für die ökologische Erzeugung zugelassen sind (z. B. keine Beizung mit Fungiziden). Dies muss auf dem Lieferschein bestätigt sein. 

Die Verwendung von gentechnisch veränderten Pflanzen ist ebenfalls ausgeschlossen. Derzeit sind in der EU keine GVO-Zierpflanzen zugelassen.

Antrag auf Ausnahmegenehmigung

Vor dem Einsatz von konventionellem Saatgut muss eine Ausnahmegenehmigung über die OXS-Datenbank www.organicxseeds.de beantragt werden. Nach derzeitigem Stand (März 2025) ist Saatgut von Zierpflanzen allgemein genehmigt, da es bislang nur ein sehr geringes Angebot und nur sehr wenige Anbietende in diesem Bereich in der Bio-Produktion gibt. 

Allgemeine Genehmigung

Für Arten/Sorten, bei denen es praktisch kein Bio-Angebot gibt, haben die Bundesländer Allgemeinverfügungen erlassen (in der OXS-Datenbank erkennbar an der Einstufung „Allgemeine Genehmigung“). Für diese Arten/Sorten ist die Verwendung von konventionellem Saatgut generell genehmigt. 

Wer allgemein genehmigtes Saatgut verwenden will, muss also keine Einzelgenehmigungen beantragen, sondern lediglich die Menge des Saatgutes, die verwendet werden soll, in der Datenbank eintragen und diese „Bestätigung“ ausdrucken oder digital speichern, um sie bei der Kontrolle belegen zu können. Die Bestätigung ist für 2 Jahre aufzubewahren. 

Gültigkeit der Ausnahmegenehmigungen und Restmengen

Die Genehmigungen und Bestätigungen sind vor der Aussaat einzuholen und gelten ausschließlich für die betreffende Saison. Falls Restmengen vorhanden sind und diese erst in der nächsten Saison eingesetzt werden, muss erneut eine Ausnahmegenehmigung beantragt werden. Die Nachweise und Genehmigungen sind für 2 Jahre aufzubewahren.

Arten und Sorten, die nicht in der OXS-Datenbank aufgeführt sind

Die Arten und Sorten, die nicht in der OXS-Datenbank aufgeführt sind, können direkt bei OXS per E-Mail (info(at)organicXseeds.com), telefonisch (069 7137699-855) oder in einem Online-Formular gemeldet werden. Nachdem die Art/Sorte durch das FiBL angelegt wurde, ist die Antragsstellung möglich. Zusätzlich besteht bislang die Möglichkeit, nicht gelistete Sorten und Arten im Zierpflanzenbereich unter „nicht gelistete Zierpflanze“ zu beantragen. 

Sonderfall: Saatgut für Wildstauden, autochthones Saatgut

Autochthones Saatgut von Wildpflanzen („Regiosaaten“) ist derzeit praktisch nicht in Bio-Qualität verfügbar. Solches regionales und autochthones Saatgut wird aber für die Produktion von Wildstauden im Topf und im Rahmen von Naturschutz- oder Renaturierungsmaßnahmen eingesetzt.

Konventionelles Regiosaatgut ist in der Datenbank als „Allgemeine Genehmigung“ eingestuft. Bitte tragen Sie die Verwendung in der Datenbank ein.

Sollen sehr viele Regiosaatgut-Arten eingesetzt werden, gibt es in der Datenbank die Möglichkeit einer Sammelbestätigung (bisher nur in einigen Bundesländern möglich). Bitte nehmen Sie hier Kontakt auf zu andrea.frankenberg(at)bioland.de 

Hinweis: Die Sammlung von Wildsaatgut in der freien Landschaft unterliegt dem Naturschutzrecht und bedarf der Genehmigung durch die Untere Naturschutzbehörde. Das Inverkehrbringen solchen Saatgutes unterliegt zusätzlich den Anforderungen der Erhaltungsmischungs-Verordnung (ErMiV). Informationen hierzu sind unter https://www.natur-im-vww.de/ oder https://bsv-saaten.de/fachinformationen/regio-saatgut/ verfügbar.

Wenn Saatgut in der freien Landschaft gesammelt wird, gilt u. a. Folgendes:

  • Wer Pflanzen oder deren Teile gewerblich sammeln will, braucht eine naturschutzrechtliche Erlaubnis/Genehmigung nach Bundesnaturschutzgesetz §39 (4). Diese erteilt die Untere Naturschutzbehörde. Die Genehmigung wird erteilt, wenn der Bestand der betreffenden Art am Ort der Entnahme nicht gefährdet und der Naturhaushalt nicht erheblich beeinträchtigt wird. 
  • Die Entnahme hat pfleglich zu erfolgen. Bei der Entscheidung über Entnahmen zu Zwecken der Produktion regionalen Saatguts sind die günstigen Auswirkungen auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu berücksichtigen. 
  • Wildgesammeltes Saatgut ist grundsätzlich konventionell. 
  • Konventionelles „Wildsammlungssaatgut“ kann im Rahmen der Allgemeinverfügung von Regiosaatgut zur Erzeugung von Bio-Pflanzen verwendet werden.
  • Die Wildsammlung von Saatgut kann nach der Anmeldung bei der Kontrollstelle bio-zertifiziert werden, wenn für die Sammelflächen 3 Jahre verordnungskonformität nachgewiesen ist. Falls Saatgut aus einer Wildsammlung als biologisches Saatgut gekennzeichnet werden soll, sollte die Kontrollstelle vorab kontaktiert werden.

Verwendung und Produktion von eigenem Saatgut

Grundsätzlich darf selbst erzeugtes Saatgut im Bio-Betrieb eingesetzt werden. Der Status der Fläche bestimmt hierbei den Status des Saatguts. Saatgut von Flächen in der Umstellung hat „Umstellungsstatus“ und darf im eigenen Bio-Betrieb uneingeschränkt verwendet werden - unabhängig von der verfügbaren Qualität und Menge gemäß der OXS-Datenbank. Dies gilt auch für Saatgut, das im 1. Umstellungsjahr erzeugt wurde, soweit es im eigenen Betrieb eingesetzt wird.

Verwendung von Restmengen von Saatgut vor der Umstellung

Sind von vor der Umstellung noch Restmengen von konventionellem Saatgut vorhanden, kann dieses - sofern es nicht chemisch behandelt wurde - nach Prüfung auf Nicht-Verfügbarkeit in der OXS-Datenbank und einem entsprechenden Antrag bzw. einer entsprechenden Genehmigung eingesetzt werden. 

Verkauf von eigenem Saatgut

Eigenes Saatgut darf nur dann verkauft werden, wenn die rechtlichen Bedingungen, d. h. die für den Verkauf von Zierpflanzensaatgut bestimmten Verordnungen und Gesetze, eingehalten werden. Eine Übersicht der Gesetze ist hier einzusehen: https://www.bundessortenamt.de/bsa/das-bsa/rechtliche-grundlagen.

Entspricht das Saatgut der EU-Bio-Verordnung sowie den Vorgaben der oben genannten Verordnungen und Gesetze, kann es in der OXS-Datenbank als Bio-Saatgut oder Saatgut aus der Umstellung angeboten werden. Der Eintrag erfolgt über folgende Datenbank: https://www.seeds4organic.eu/rdb.

Fallbeispiele über den Status des Pflanzenvermehrungsmaterials sind im Kapitel » Mutterpflanzen zu finden. 

Saatgutbehandlung

Zur Behandlung des Saatguts sind physikalische Verfahren wie die Saatgutbehandlung mit niederenergetischen Elektronen (Elektronenbeizung), Heißwasser oder Heißluft ebenso erlaubt wie eine Erhöhung der Keimstimmung durch Priming mittels Feuchtigkeit und/oder Temperatur.

Stoffe und Materialien, die zur Kalibrierung/Pillierung des Saatguts verwendet werden, sind im Bio-Recht nicht geregelt. Diese Stoffe können verwendet werden, sofern sie keine Pflanzenschutz- oder Düngewirkung haben und keine Kontamination der Bio-Produkte mit unzulässigen Stoffen (v. a. Pestizide) erwarten lassen. 

Bei Saatgutbehandlungen mit Dünge- oder Pflanzenschutzwirkung oder mit Mikroorganismen sind folgende Kriterien wichtig:

  • Behandlungen mit Düngewirkung müssen die Anforderungen der EU-Bio-Verordnung für Düngemittel erfüllen.
  • Behandlungen, die als Pflanzenschutzmittel wirken, müssen die Anforderungen der EU-Bio-Verordnung für Pflanzenschutzmittel erfüllen.
  • Behandlungen mit Grundstoffen müssen die Anforderungen der EU-Bio-Verordnung für Grundstoffe erfüllen.
  • Die Impfung mit Mikroorganismen wie Rhizobien und Mykorrhiza ist zulässig. In der EU sind bisher keine entsprechenden gentechnisch veränderte Organismen zur Freisetzung zugelassen, daher muss die “Gentechnikfreiheit” dieser Mikroorganismen derzeit nicht separat geprüft oder nachgewiesen werden.

Saatgutbehandlung, Erfahrungen aus der Praxis

Heißwasser- bzw. Dampfbehandlungen von Saatgut sind sehr aufwändig, da sie eine exakte Temperaturführung und ein schnelles Rücktrocknen des Saatguts erfordern. Die Behandlungsbedingungen können sich zwischen Sorten und sogar zwischen Partien der gleichen Sorte unterscheiden. Daher sollten diese Behandlungen von spezialisierten Betrieben durchgeführt werden. Bei einer selbst durchgeführten Behandlung oder Behandlung im Auftrag, ohne Rücksprache mit dem Saatgutproduzenten, wird die Keimrate meistens nicht mehr garantiert.

Neu zugelassen ist die Anwendung von Speiseessig als Grundstoff zur Saatgutdesinfektion. Dazu taucht man unter Rühren das Saatgut in Speiseessig verdünnt im Verhältnis 1:1 mit Wasser oder unverdünnt für 5 bis 15 Minuten und spült das Saatgut danach mit sauberem Wasser ab. Dabei sind Vorversuche zur Ermittlung der Behandlungsdauer unerlässlich.

Eher zur Eigenanwendung empfohlen werden Pflanzenstärkungsmittel oder Komposttees. Diese Methoden haben in Versuchen eine Teilwirkung gezeigt, jedoch sollten diese trotzdem zuerst an einer kleinen Saatgutpartie getestet werden. Auch eine „Belebung“ des Saatgutes durch eine Behandlung mit Keramikpulver kann hilfreich sein. Es ist dabei zu beachten, dass Sähstifte dadurch stärker verschleißen. Viele Betriebe gießen nach der Aussaat in Töpfen die Kulturen mit Effektiven Mikroorganismen und Keramikpulver als „Begrüßungscocktail“ an.

Rechtsgrundlage der EU-Bio-Verordnung

  • Saatgut: VO 2018/848 Anh. II Teil I 1.8
  • Dünger: VO 2018/848 Anh. II Teil I 1.9 und VO 2021/1165 Anh. II
  • Pflanzenschutzmittel:  VO 2018/848 Anh. II Teil I 1.10 und VO 2021/1165 Anh. I

Beispiel für mögliche Verstöße und Vorsorgemaßnahmen

Es wurde konventionelles, ungebeiztes Saatgut bestellt, allerdings chemisch gebeiztes Saatgut geliefert, ohne dass die Begleitpapiere (d. h. die Lieferscheine und Rechnungen der Bestellung) das ausweisen.

Deshalb sind Lieferscheine und Saatgutverpackung zu prüfen. Der Hinweis „nicht chemisch behandelt“ muss auf dem Lieferschein stehen. Auch das Saatgut selbst muss kontrolliert werden: Chemische Behandlungen müssen auf den Packungen gekennzeichnet werden. Auch das Aussehen des Saatguts muss überprüft werden, denn i. d. R. ist gebeiztes Saatgut auch auffällig gefärbt. Zu diesem Thema müssen auch die Mitarbeitenden entsprechend geschult werden.

siehe » Vorsorgekonzept Erzeugerbetriebe